Drei Fragen und Antworten zum Quereinstieg in die Entwicklung: Sinnig für alle?

Der IT-Fachkräftemangel verlockt viele zum Quereinstieg. Warum die App-Entwicklung nicht jedermanns Sache ist und für wen sich der Schritt lohnt.

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(Bild: iX)

Lesezeit: 6 Min.

Eine Karriere in der IT-Entwicklung erscheint vielen Dank hoher Gehälter und großer Job-Sicherheit reizvoll und lockt auch immer mehr Quereinsteiger an. Seit 2021 bildet das Start-up Syntax Institut in zwölf Monaten Vollzeitunterricht Laien zu zertifizierten Mobile Developern aus. Finanziert wird den Teilnehmenden die Online-Schule über den Bildungsgutschein der Arbeitsagentur. Ein Gespräch darüber, für wen sich der Karriere-Schritt in die App-Entwicklung eignet – und warum Crashkurse nicht reichen.

Drei Fragen und Antworten mit Felix Frauendorf

Felix Frauendorf ist Gründer des Syntax Instituts, dessen Ziel es ist, motivierten Menschen eine Möglichkeit zum Neuanfang zu bieten und gleichzeitig den Fachkräftemangel zu bekämpfen.

Welche Eigenschaften müssen Interessierte mitbringen, um in der IT-Entwicklung Erfolg zu haben – und bestenfalls auch glücklich zu werden?

Am wichtigsten ist es, eine Leidenschaft für das Lösen von Problemen zu haben. Wer gerne knobelt, ist in der IT genau richtig. Diese Leidenschaft ist viel bedeutsamer als gute Abschlüsse, denn Programmieren besteht vor allem darin, ein Problem zu identifizieren und dieses mit den gegebenen Mitteln zu überwinden.

Ausdauer für das langfristige Weiterlernen ist ebenfalls notwendig. Wer in der IT Karriere machen will, muss auch nach der Ausbildung noch aus Überzeugung weiterlernen – stumpf möglichst viele Fortbildungs-Zertifikate zu sammeln, reicht da nicht. Denn zum einen entwickelt sich die Branche viel zu schnell, als dass man da je ausgelernt haben könnte, zum anderen muss man das Wissen auch verinnerlicht haben und abrufen können. Entsprechend wichtig ist es deshalb außerdem, Neugierde am Ausprobieren zu haben. Programmieren ist das Handwerk der Digitalwelt, vieles lernt man am besten durch das Herumtüfteln.

Und zu guter Letzt gilt: Nicht entmutigen lassen, Selbstzweifel sind normal! Gerade für Quereinsteiger kann das eine oder andere Thema anfangs überwältigend wirken. Wer aber wirklich Bock darauf hat und bereit ist, sich reinzuhängen, schafft den Wechsel auf jeden Fall. Der Trend kann da Mut geben: In den USA haben bereits über 25 Prozent der IT-Fachkräfte keinen Hochschulabschluss, in Deutschland sind es 14 Prozent, und auch branchenübergreifend wird der Quereinstieg Normalität: schon 2018 war jede dritte Fachkraft Quereinsteiger.

Außerdem ein Lichtblick für alle, für die der Matheunterricht früher vor allem eine Qual war: Auch Sprach- statt Mathebegabte haben gute Chancen in der IT, denn Programmiersprachen sind letztlich auch Sprachen mit eigenständiger Grammatik – ein gewisses Gefühl für Sprache kann in unserer Branche also hilfreich sein.

Gibt es umgekehrt Ausschlusskriterien, die eine App-Entwickler-Karriere von vornherein unmöglich machen oder zumindest arg erschweren?

Unwille zur Teamarbeit ist mittlerweile ein echtes Ausschlusskriterium. Für die Entwicklung von digitalen Produkten müssen sich oft eine ganze Reihe von Stakeholdern koordinieren: Von UX/UI-Designern über Backend Developer bis hin zu Web- und Mobile (App) Developern. Eine zielorientierte Zusammenarbeit ist daher unglaublich wichtig. Wem Teamarbeit und Kommunikation nicht besonders gut liegt, wird in der IT vermutlich nicht glücklich.

Worauf wir bei der Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern achten, ist eine Kombination aus erstens fachlicher Eignung – hierzu zählen vor allem technisches und strukturiertes Denken und Arbeiten; eventuell bereits vorhandene Vorkenntnisse helfen da natürlich, sind aber kein Muss und zweitens persönliche Eignung – hierzu zählen vor allem die bereits genannten Fähigkeit wie Teamfähigkeit, Durchhaltevermögen und der Spaß am Knobeln. Wer diese Eignungen nicht mitbringt, ist vermutlich in einer anderen Branche besser aufgehoben.

Bei Ihrem Institut dauert die Weiterbildung zum App-Entwickler ein ganzes Jahr in Vollzeit. Viel Zeit, wenn es auch deutlich kürzere Angebote gibt, die ähnliche Erfolge versprechen. Warum dauert es bei Ihnen so lange?

Die Erfahrung zeigt: Um den Quereinstieg in die App-Entwicklung zu schaffen, muss man eine ganze Menge an Skills mitbringen, für die ein 3-, 6- oder selbst 9-monatiger Kurs einfach nicht ausreicht.

Denn: Wer Programmieren lernen will, muss sich viel Zeit zum Üben und Ausprobieren erlauben dürfen. Die Theorie ist gut und wichtig, aber erst durch die regelmäßige Anwendung lässt sich das Wissen nachhaltig verankern – und gleichzeitig Erfahrung sammeln. Dem soll unser Kurs natürlich Rechnung tragen, weshalb die Theorieblöcke immer wieder durch Praxisaufgaben und Coding Challenges unterbrochen werden, die alleine oder in Teamarbeit gelöst werden können. Generell bekommen unsere Teilnehmenden regelmäßig die Gelegenheit, sich untereinander auszutauschen und gegenseitig zu helfen.

Gleichzeitig lernen unsere Teilnehmenden neben den Programmier-Grundlagen zum Einstieg auch die beiden nativen Programmiersprachen Kotlin (Android) und Swift (iOS), damit sie sich später besser entlang ihrer eigenen Stärken spezialisieren können. Die regelmäßigen Praxisprojekte dazu bilden dann ein Portfolio, bestehend aus insgesamt drei Apps.

All das benötigt natürlich entsprechend viel Zeit – aber unserer Überzeugung nach sind das gut investierte Stunden, und besonders der Fokus auf die Praxis kommt bei unseren Teilnehmenden und deren Arbeitgebern sehr gut an. Am liebsten würden wir natürlich noch mehr Zeit in die Ausbildung stecken, aber der einjährige Kurs hat sich als guter Kompromiss zwischen umfassender Ausbildung und schnellem Berufseinstieg bewährt.

Kürzere Kurse eignen sich eher um spezielle Kenntnisse in einzelnen Fachbereichen zu erlernen, jedoch nicht um ein voll umfassender (App) Developer zu werden. Aus unserer Sicht gibt es aber keine Angebote, die in Vollzeit in weniger als 12 Monaten versprechen, Menschen ohne umfangreiche Vorkenntnisse zu (native) App Developern für iOS und Android zu machen.

Es gibt Bootcamps, die zwar versprechen, über einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten Developer auszubilden. Das sind dann aber entweder andere Arten von Programmierern, zum Beispiel Web Developer, die man tatsächlich in kürzeren Formaten ausbilden kann – erst recht, wenn diese Kurse Vorkenntnisse voraussetzen – oder es sind eher Grundlagen-orientierte Kurse, die nicht direkt zum Berufseinstieg qualifizieren, sondern eher der Weiterbildung von verwandten Disziplinen dienen, damit Produkt- oder Projektmanager verstehen, wie Developer grundsätzlich arbeiten.

Herr Frauendorf, vielen Dank für Ihre Antworten!

In der Serie "Drei Fragen und Antworten" will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(jvo)